Beobachtungsbericht vom 12. Juni 2015

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Alrukaba
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Beobachtungsbericht vom 12. Juni 2015

Beitrag von Alrukaba »

Ehrlich gesagt, wäre mir gar nicht in den Sinn gekommen, an diesem Freitag zu beobachten. Am Montag vorher hatte ich erst einen Tag Urlaub um zu übersiedeln, dennoch bin ich täglich mindestens zweimal zwischen Haus und Wohnung hin und hergefahren, um den Rest meiner Sachen in die Wohnung zu bringen. Dazu noch ein paar andere private Sachen und dann natürlich noch die Arbeit und so stand mein Kopf überall, nur nicht in den Sternen.
Zu verdanken hatte ich die Beobachtung eigentlich Kurt, der mich schon am Vormittag anrief. Ich erklärte ihm kurz die Situation und meinte, daß ich nichts wegen einer Beobachtung versprechen kann. Ich war nämlich ziemlich geschlaucht. Aber schon kurz nach dem Telefonat stand fest, ich fahr doch auf die Alm, schon allein deswegen, um den Streß der Woche beim Anblick der Sterne zu vergessen.
Nach der üblichen Prozedur nach der Arbeit war ich kurz vor neun auf der Alm. Am Weg hinauf, rief ich Gerald an der, wie üblich wieder mal keine Zeit hatte, weil er am nächsten Tag zeitig zum Ybbsursprung wandern wollte. Kurt war schon da und hatte die Venus im Visier. Sie zeigte sich halb beleuchtet und war, trotz tiefer Stellung, ziemlich ruhig anzusehen. Während ich mein Teleskop aufstellte, holte Kurt Jupiter vom Himmel, der noch etwas höher stand. War Venus mitten im Krebs zu finden, so stand der Götterboss, hart an der Grenze zum Schalentier, noch im Löwen.
Als ich alles Notwendige auf mein Teleskop montiert hatte, nahm ich die beiden auch mal schnell aufs Korn, ehe wir beide zu Erika ins Almhaus hinüberfuhren. Nach einem erfrischenden Seiterl, einen genußvollem Achterl Schilcher und einem kurzen Plausch mit Erika waren wir nicht ganz eine Stunde später wieder auf der Astrostation. Da waren wir aber nicht mehr alleine. Toni, ein weitschichtiger Verwandter von August, und einem Bekannten von Kurt, hatte seinen 10 Zoll Dobson auf´s Osteck der östlichen Hütte platziert und hatte ebenso gerade die Venus in seinem Rohr.
Natürlich nahmen wir gleich nochmal Jupiter unter die Lupe, um zu sehen, wie seine Monde stehen und ob der Große rote Fleck sichtbar ist. Io stand links des Gasriesen, Europe, Ganymed und Kallisto rechts. Vom roten Fleck war nichts zu sehen. Jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe und mich bei Call Sky schlau gemacht habe, hab ich gesehn, daß er um 22 Uhr 20 im Meridian gestanden wäre. Aber leider hatte ich da oben wieder mal keine Internetverbindung, aber um ihn auszumachen, dafür stand er auch schon viel zu tief.
Saturn stand auch schon hoch genug, um ihn mal genauer zu betrachten. Bei mir konnte ich nur Titan unter ihm sehn, Japetus weit rechts draußen und ab und zu blitzte Rhea links von ihm auf. Bei Toni sah alles etwas anders auf. Durch den Spiegel war alles nochmal gespiegelt und man konnte neben Rhea auch Dione deutlich erkennen.
Da Saturn relativ ruhig da stand, schaute ich gleich mal, wie ruhig die Luft wirklich war. Wega in der Leier mußte dafür herhalten. Die Beugungsringe waren nur geringfügig ausgefranst und so bekommt das Seeing diesmal eine Eins minus, anfangs zumindest, denn es wurde während der Nacht leider etwas schlechter. Die Grenzgröße lag bei 5,64 mag und das bei einer Temperatur, die von 27 auf 21 Grad fiel. Der Wind wehte erst nur leicht böig aus Osten, erst gegen Mitternacht frischte er auf und wurde zum ständigen Begleiter.
Irgendwann um die Zeit kam auch Roman zu uns und vervollständigte unser Quartett. Warum ich von der Wega erst zu M13 im Herkules wechselte, keine Ahnung. Aber er war ein herrlicher Anblick. Erst danach holte ich mir Epsilon Lyra, das Vierfachsternensystem in jenem Saiteninstrument, welches Merkur, der Götterbote erfunden haben soll. Es war eine Leichtigkeit, die beiden Sternenpaare zu trennen. Ein schöner Anblick war auch M57, der Ringnebel inmitten des ihn umgebenden Sternengewimmels. M56, der Kugelhaufen in der Leier, war zwar um einiges blasser als sein Kollege im Herkules, aber ebenfalls ein Augenschmaus.
Weiter machte ich mit 61 Cygni, meinen Lieblingsdoppelstern, der bei der Runde natürlich auch nicht fehlen durfte. Von ihm schwenkte ich auf Albireo, dem wohl schönsten Sternenpärchen am nördlichen Sternenhimmel.
Danach ging kurz ich auf den Parkplatz rauf, um in Ruhe die Grenzgröße festzustellen. Konzentriert suchte ich nach dem schwächsten Stern im kleinen Bären. Als mir durch die Müdigkeit der ganze Himmel zu grieseln begann, drehte ich mich kurz um, um wieder klaren Blick zu bekommen. Da bemerkte ich, es war gegen Mitternacht, tief im Westen etwas helles, das immer höher rauf kam. Mein Verdacht fiel auf die ISS und so sprintete ich runter zur Station, um die anderen zu informieren. Kurt war auch überzeugt, nach Helligkeit zu beurteilen, daß es sich nur um die ISS handeln könnte, noch dazu, wo sie schon bald, immer noch tief in Südwesten in der Jungfrau verblasste und schließlich verschwand. Calsky gab mir am nächsten Tag Gewissheit.
Kurt zeigte schließlich ein paar Doppelsterne. Erst 39 Bootes, ein schönes Pärchen, welche sich in etwa so nahe sind wie ein Pärchen von Epsilon Lyra. Beide sind um 6,5 mag hell, wovon einer leicht orange leuchtet. Der zweite war Rho oder 75 Herkules, ein nicht ganz so enger, aber schöner Doppelstern. Ich holte mir, etwas weiter südlich meines letzten Objekts M27, den Hantelnebel im Füchschen vor die Linse.
Danach verzupfte ich mich mit meinem Feldstecher auf den Tunnel und legte mich mitten auf die Piste. Ich machte einen Rundgang über den mit Sternen übersäten Himmel, der sich über mir ausbreitete. Außer ein paar Objekte, die ich mir vorher schon mit dem Teleskop zur Brust genommen hatte, schaute ich auch bei Cr 399, dem Kleiderbügel im Füchschen vorbei.
Eigentlich wollte ich mir an diesen Abend nichts Neues suchen, schließlich sollte sie nur als Stressabbau dienen. Aber als ich mal so nach Süden schaute, bemerkte ich, daß der Skorpion gerade durch den Meridian ging. Da müßte es eigentlich der Schlangenträger, etwas weiter nördlich ihm gleichtun. Ich ließ meinen Blick etwas nach oben schweifen und da breitete sich Äskulap tatsächlich über der Mittagslinie aus. In dem soll sich ja ein Messieobjekt tummeln, welches ich noch nie beobachtet habe. Sofort holte ich meine Liste heraus und tatsächlich. Da fehlte mir noch M62, ein Kugelhaufen und M70, eine weiterer im Schützen. Für den war aber noch zu früh.
Sofort bewaffnete ich mich mit meinem Sternatlas und suchte nach dem begehrten Objekt. M62 steht hart an der Grenze zum Skorpion, also im südlichen Teil des Schlangenträger. Man könnte sagen, in einer Linie zwischen Tau Skorpio, der etwas südöstlich von Antares zu finden ist und M6, dem Schmetterlingshaufen im Skorpion. Als weitere Visierpunkte nahm ich Eta Ophiuchus, unter dem er fast senkrecht zu finden ist und einer Dreierreihe südöstlich vom Stern Eta, die direkt auf M62 zielt. Nach kurzer Suche leuchtete mir der Kugelhaufen doch etwas heller ins Okular als erwartet.
Für den Abschluß schaute ich noch bei M4, einem Kugelsternhaufen im Skorpion, unmittelbar bei Antares vorbei. Während ich abbaute meinte Kurt, er hätte M6, den Schmetterlingshaufen im Visier. Herrlich zeigte sich der offene. Ich fragte, ob er auch noch den benachbarten M7, den Ptolemäushaufen auch noch reinholen könnte. Gesagt, getan. Auch er zeigte sich schön, kratzte aber hart am Gipfel des Ötscher.
Die Beobachtung dauerte diesmal bis ein Uhr. Es tat gut, wieder mal Sterne zu sehen und es war die richtige Entscheidung, zum Streßabbau auf die Alm zu fahren.

Kurt hatte auf seinen Apo mit 152mm Öffnung und 1200mm Brennweite seinen neuen Skywatcher ED mit 90mm Öffnung und 900mm Brennweite geschnallt.

Toni beobachtete mit einem 10 Zoll Dobson und ich vermute mal 1200mm Brennweite.

Roman hatte seinen Triplet Apo mit 115mm Öffnung und 80mm Brennweite in seinem Verbau

und ich meinen Fh 102 mit 1000mm Brennweite
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Josef
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Re: Beobachtungsbericht vom 12. Juni 2015

Beitrag von Josef »

Hallo Alex!

Klasse Bericht zum Stress abbau, obwohl da bei mir ab und zu auch eine Tüte reicht, am besten mit +8°C! :mrgreen: :mrgreen: :mrgreen:
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Alrukaba
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Re: Beobachtungsbericht vom 12. Juni 2015

Beitrag von Alrukaba »

Danke Sepp!

Die Tüte, die ich da gebraucht hätte, hätte ich mir selber wutzeln müßen und rauchen :D :wink:

Alex
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darthvader
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Re: Beobachtungsbericht vom 12. Juni 2015

Beitrag von darthvader »

Hallo Alex!

Super Bericht!
Bzgl. Stress abbauen: Ein Stamperl ist eine Medizin und eine Flasche ist eine ganze Intensivstation :lol:

LG und CS Andreas
Equipment:
Meade SC 305/3050 ACF LX 90, MEADE #1209 Microfokussierung
Sky Watcher Dobson 200/1200, Omegon Night Star 20x80
Omegon SWA 2´´ 38, 32, 26 mm
Omegon SWA 20+15 mm
Antares Speers Waler 9,4 mm
Antares Speers Waler 5-8 mm
HR Planetary 7 mm
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Alrukaba
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Re: Beobachtungsbericht vom 12. Juni 2015

Beitrag von Alrukaba »

Danke Andreas!

Dein Wort in meinem Ohr! :D

Alex
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