Interessante und beängstigende Erscheinungen 20201211

Astronomie, Naturbeobachtung, Mikroskopie...
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Wolfman
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Registriert: 23.03.2013, 10:46

Interessante und beängstigende Erscheinungen 20201211

Beitrag von Wolfman »

Nach einer ausgiebigen Baumschneide Session gestern hat sich über unserem Observatorium etwa 45 km westlich von Wien ein wundervolles Wolkenloch aufgemacht, das ich spontan für visuelle Beobachtungen benutzte.

Seit vielen Jahrzehnten beschäftige ich mich mit dem "scharf Sehen", so habe ich mir wieder bei einem Österreichischen Hersteller in Vösendorf neue Kontaktlinsen machen lassen, die in einer speziell für mich gespeicherten Kurve bestmöglich Astigmatismus und Fehlsichtigkeit korrigieren, aus einem sehr durchlässigen, nahezu ungefärbten Material. (Stelle per Interesse gerne Kontakt her). Kann mich an einen netten Abend an der Kuffnersternwarte erinnern, wo ich bereits Merkur 20 Minuten vor den Feldstecherguckern mit dem freien Auge sah und ich somit dort bei einigen in Ungnade fiel, weil sie es nicht für möglich hielten. Somit habe ich schon den Zeissrefraktor im Auge und warte nur mehr auf Verstärkerlinsen.

So begann ich dann gemütlich nach der freien Auge Betrachtung mit dem AS80/1200mm Jupiter und Saturn in einem Gesichtsfeld anzusehen. Da war die Luft noch schlecht, hat sich aber schnell stabilisiert. So folgten viele Objekte des Herbst und Sommerhimmel, bis es endlich finster war. Blickende kleine Nebel, die gerne Planeten geworden wären, ordentliche Cirrusnebelwolken, Hanteln (momentan nur mehr am Himmel, auf Amazon ausverkauft), Ringe ohne heiraten zu müssen, Doppelsterne die einem das Auge vor Schärfe wegfetzen und eine Parade an offenen Sternhaufen, einer schöner als der andere.

Immer wieder schaue ich gerne das Sternbild Perseus und mit meiner Tochter habe ich oft schon den Kopf der Medusa auf alten Karten oder Globen gesucht. Als ich dann mir die Assoziation ansehe, fliegen mir auf einmal ohne Unterbrechungen immer leicht versetzt alle Sekunden bis vielleicht 2 Sekunden zig Satelliten durch das Gesichtsfeld. Dazwischen ein paar die 90° versetzt flogen. Ist das nun das Ende der Astronomie? Hätte ich ein Bild gemacht, wäre es komplett durchgestrichen, von zig Spuren. Brauchen wir diese Vermüllung der Zukunft als Verhinderung einer sicheren Raumfahrt wirklich? Ein erschreckender Gedanke.

Über Telefonate mit Wien und St. Pölten konnte ich herausfinden, dass beide Städte unter einer Nebeldecke lagen. Offensichtlich war ich auf einen Punkt, der wirklich nur ein aufgerissenes Loch in dieser Decke war. Die erste Überraschung war dann der Blick nach Osten, wo ich grade mal aufgegangen mit 80mm Öffnung vollkommen locker ohne irgendeinen Filter M1 sah. Als ich dann zum Perseus schwenkte und den Californianebel gänzlich mit der gleichen Konfiguration in der vollen Ausdehnung ohne jeglichen Filter wahrnehmen konnte, wurde mir klar, das ist die Nebeldecke über Wien, die dies zulässt. Im Normalfall bräuchte man in dieser Position vermutlich einen CLS, DS oder vielleicht HBeta Filter um das von mir benannte "Krokodil" zu sehen. Es schien daher eine einzigartige Nacht zu sein, mit Möglichkeiten, wie man sie sonst vermutlich nur in den dunkelsten Alpen auffindet. Bei einem kleinen Blick beim Herrn Fuhrmann ins Regallager der Nebel und Sternhaufen erkannte ich auch, dass noch alle da waren, ohne Benützung von meinen geliebten Nebelfiltern. Da hätte ich vielleicht in anderen Situationen eher zu einem CLS Filter tendiert.

Ein schon etwas zurückliegender Gebrauchtkauf von einem 31mm Nagler sollte dann auch noch getestet werden. Unsere anderen Schätze um diesen Brennwertenwert sind schon Jahrzehnte älter und gerade bei einem 1:15 Doppelteleskop wird dann oft um mein 27mm Panoptik herumgestritten, heimlich gesteckt, so dass es der Kollege im Finstern vergeblich sucht, bzw. macht es auch viele Urlaubsreisen, mehr als die Menschen derzeit.

Über viele Jahre habe ich da Testberichte über viele Okulare und Möglichkeiten gelesen und heute kann ich mit Fug und Recht behaupten, ich habe nie durch ein über den gesamten Sichtbereich schärferes Okular als durch das 31mm Televue geschaut. Man muss zwar den Einblick üben und es ist Tag blind (35 und 27mm bleiben ja), aber in der Nacht glaubt man, alle anderen Okulare mal putzen zu müssen um da hinzukommen, was dann leider nicht gelingt. Das Schauen muss man etwas üben, aber nach der 3. Nacht hat man sich gewöhnt und genießt nur mehr.

Um z.B. die blauen Nebel um die Plejaden zu sehen, haben wir uns eigens für 1:15 Okulare gebaut. 4 Linser, als dünne Linsen gerechnet mit 94 und 74mm Brennbeite, die viel Licht durchlassen, megascharf aus Restlinsenbeständen aus der DDR oder vom Thommy aus den Regalen sind und extrem große AP haben. In Farbe sieht man die blauen Nebel nur mit dem 94iger und recht gut in SW mit dem 74iger, natürlich bei unseren Verhältnissen. Eine neue Erfahrung war gestern, dass dies auch noch mit dem extrem kontrastreichen 31iger möglich ist. Das war sogar eine Überraschung, natürlich nicht mehr in Blau, sondern nur in weiß, aber immerhin. Bei 250mm Öffnung habe ich eher die Erfahrung gemacht, dass solche zarte Objekte mit zunehmender Vergrößerung und sich verkleinernder Pupille eher uninteressant werden.
Ein großes Ärgernis bei einem Cassegrain Teleskop ist ja das Loch, das einem ein Limit bei 250mm Durchmesser des Okularauszuges auf 2" setzt. Damit hat man einfach eine Begrenzung vom echten Gesichtsfeld. Mit dem 31igem Nagel nagelt man sich die Begleiter der Andromedagalaxie wirklich so fest, dass man Beruhigung findet, wenn man die große Galaxie am Rand sieht, da man in manchen Situationen gar nicht mehr weiß, ob man nun auf den Begleiter oder auf die Hauptgalaxie schaut. Aber in der großen erkennt man schon in der Mitte und auch in den Armen ganz gut Strukturen. Ein Hammer, auch wenn ich selber nicht so ein Fan von diesen Objekten bin. Ich schaue lieber das Schöne was uns nah liegt, in der eigenen Galaxie.

Aufgrund der extremen Eindrücke und etwas Müdigkeit durch die vorangegangen Arbeiten, habe ich dann anstelle mit Orion, mit dem Mars geschlossen. Auch extrem scharf und wundervoll. Mit dem Hellas am Rand und den Tälern und dunklen Albedostrukturen kam der Planet als kleiner Minierdenmond rüber, etwas rötlich, so als würde er grad über der Stadt aufgehen.

Bei der Heimfahrt dachte ich mir dann, schade, das wäre heute ein Möglichkeit für die visuelle Sichtung von Pferdekopfnebel und auch ein lockeres Sehen von mehr als 4 Sternen im Trapez gewesen, aber das ist eine ganz andere Geschichte.

In einem der wohl bescheidensten Jahren der Menschheit 2020 wurde am Himmel viel geboten. Venus im Frühjahr, Sternschnuppen im Sommer, tolle Kometen, eine der besten Marsoppositionen (in einem alten Astronomiebuch als Jahr der Pandemie gefunden) und nun noch der Weihnachtsstern!

Ich rate dazu trotz Kälte mal rauszugehen und den Blick auf den Himmel zu richten! Viel Spaß dabei und nicht vergessen: Jedes Fernrohr hat seinen Himmel, es gibt immer was zu sehen und wenn es nur Wolken sind, können diese auch nett aussehen!
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