Namibiahimmel in Niederösterreich

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Joe_Malik
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Namibiahimmel in Niederösterreich

Beitrag von Joe_Malik »

Hallo zusammen!

Datum, Uhrzeit: 24. April, 22:00 bis 00:45 Uhr
SQM-L: 21,72 – 21,80 mags/arcsec²
Seeing: Gut (Schulnote)
Wetter: wolkenlos, Temperatur: 2 °C
Beobachtungsort: Schneeberg/Losenheim – Salamander Skigebiet
Verwendetes Equipment: 20 cm f/6 Dobson (Sky-Watcher), William Optics SWAN 33 mm, Antares Speers-Waler 17 mm und 9,4 mm, TS Planetary HR 6 mm

Objekte: M 51, NGC 4038/39, Leo Triplett, M 104, NGC 4565, NGC 3184, M 81, M 82, NGC 2976, NGC 3077, M 64, M 13

Da mein Hausberg, die Hohe Wand, wegen Straßenarbeiten derzeit wochentags nicht als Beobachtungsort in Frage kommt, habe ich mich in den letzten Tagen nach Alternativen umgesehen. Die Lichtverschmutzungskarte verriet, dass am Fuße des Schneebergs ein dunkelblaues Gebiet beginnt. Also machte ich mich letzte Nacht auf zum östlichsten Zweitausender der Alpen.

Ich hatte ja bereits vermutet, dass der Himmel hier noch ein Stückerl besser sein wird als auf der Hohen Wand. Aber dass der Unterschied dermaßen krass ausfällt, hätte ich mir niemals träumen lassen. Um etwa 22:00 Uhr, also wenige Minuten nach Dämmerungsende, richtete ich das SQM-L erstmals in den Zenit… gespanntes Warten… und schließlich erschien in roten Lettern: 21,72! Wahnsinn!! Im Lauf der Nacht kletterten die Werte sogar bis auf schwindelerregende 21,80 mags/arcsec²! Vergleicht man diese Werte mit der SQM-Database auf der Unihedron-Homepage, so befinden wir uns mit derartigen Werten in derselben Liga wie beispielsweise das Observatorio Roque del Los Muchachos oder das Namib Naturreservat in Namibia. Anfangs hatte ich Schwierigkeiten, mich auf diesem Himmel zurechtzufinden - ich sah sprichwörtlich “den Himmel vor lauter Sternen nicht”.

Nach dem gescheiterten Versuch, endlich den Quasar OJ+287 als beobachtet abhaken zu können, drängte sich mir immer mehr die Frage auf, wie wohl die Frühlingsklassiker unter einem derartigen Himmel aussehen würden.

Neugierig schwenkte ich deshalb zu Messier 51, um gleich im Übersichtsokular eine derart wunderschöne und anmutige Galaxie zu erspähen, wie ich sie bisher wohl noch nie sehen durfte. Vergleichsweise rrsinnig helle Spiralarme, die wie ausgestanzt wirkten, windeten sich um den auffälligen Nucleus. Die Materiebrücke zu NGC 5195 konnte mit spielerischer Leichtigkeit erkannt werden. Eine kleine Herausforderung, der ich immer wieder gerne nachkomme, ist der Versuch, den äußeren Spiralarm von M 51, welcher ein wenig an einen Gezeitenschweif erinnert, zu detektieren. Nun, die Herausforderung war diesmal keine: Bei 128x war er mit indirektem Sehen problemlos unterbrechungsfrei zu halten.

Als ich bemerkte, dass der Himmel bis zum Horizont, den die Berge setzten, regelrecht pechschwarz war, visierte ich eines meiner Lieblingsgalaxienpaare an: NGC 4038/39 im Corvus. Nach dieser Beobachtung ist das Paar wieder ein paar Plätze auf meiner Favoritenliste raufgerutscht: Wunderbar hoben sich die beiden Welteninseln vom Himmelshintergrund ab, was bei meinen vorhergegangenen Beobachtungen bisher nicht immer der Fall war. Oftmals hatte ich sogar Schwierigkeiten, die beiden getrennt wahrzunehmen. Jedoch nicht in dieser Nacht. Der südliche Teil erschien sogar relativ deutlich heller als der nördliche.

Meine Lieblingsgalaxie des Leo-Tripletts ist nicht etwa eine der beiden Messiers, sondern NGC 3628. Sie entpuppte sich als eine wahre Augenweide! Das Staubband war indirekt gut zu halten und mit etwas Geduld entfaltete die Galaxie ihre volle Pracht, indem sie ihre typischen, breiter werdenden West- und Ost-Enden offenbarte. M 65 und M 66 strotzten nur so vor Details, wie beispielsweise Ansätze der Spiralstruktur in beiden (!) Galaxien oder die auffallend hellen Kerne.

Die nächste Galaxie mit Staubband, von der ich mir viel versprach, war Messier 104. Bereits im Übersichtsokular war eine harte Kante im Norden sichtbar. Bald darauf setzte sich auch nördlich davon der Halo, der die gesamte Galaxie umgibt, fort und enthüllte damit das berühmte Staubband. Auch beim Sombrero empfand ich den hellen Nucleus als sehr auffällig. Alles in allem fehlte nur noch Speedy Gonzalez, um den namensgebenden Eindruck zu komplettieren… Ariba, Ariba! Andale, Andale! :wink:

NGC 4565 durchstach den samtschwarzen Himmel wie eine schmale Lichtnadel. Auch hier war bereits im Übersichtsokular das Staubband gut ausgeprägt. Selten - bzw. vermutlich sogar nie zuvor - habe ich “die 4565er” dermaßen langgestreckt beobachten können. Der wunderschöne zentrale Bulge vervollständigte mein Gefühl, ein Foto dieser Edge-On zu betrachten.

Für einen Moment hielt ich inne, um die fast schon kitschig-theatralischen Eindrücke meiner Umgebung auf mich wirken zu lassen. Im Südwesten thronte der Schneeberg, dessen oberes Drittel noch immer schneebedeckt war und rundherum erbauten sich viele andere Berge. Gut zu hören war der Wind, der über die Gipfel des Schneebergs und der Rax peitschte. Zum Glück war es hier herunten auf knapp 1000 m Seehöhe nahezu windstill. Direkt überm Schneeberg stand Leo, der so anmutete, als würde er den Zweitausender überspringen wollen… wirklich beeindruckend, diese Szenerie. Nun denn, weiter geht’s:

NGC 3184 in UMa steht schon längere Zeit auf meiner Abschussliste als ein potentieller Kandidat dafür, die Spiralstruktur erkennen zu können. Mit etwas mehr Beobachtungszeit wäre sie vermutlich sogar auszumachen gewesen. Doch mir war kalt, weil ich mit meinen gefühllosen kalten Händen den Zippverschluss meiner Skijacke abgerissen hatte - also stand ich bei 2 Grad mit offener Jacke da… ganz toll. Immerhin erschien die Galaxie leicht gemottelt und außen unregelmäßig begrenzt. Wir sprechen uns noch! :wink:

Die wohl spektakulärste Beobachtung dieser Nacht war höchstwahrscheinlich Messier 81 + Messier 82 + NGC 2976 + NGC 3077. Wie ein Stück weiße Tafelkreide schwebte M 82 im Raum - unglaublich hell, das Ding! Unzählige dunkle Filamente durchzogen die Galaxie. Nicht minder spektakulär bot sich M 81 dar: Zum ersten Mal ist es mir gelungen, die beiden Spiralarme auszumachen! Um Wunschsehen zu vermeiden, kontrollierte ich erst daheim, ob ich die Ausrichtung der Arme richtig erkannt habe. Und tatsächlich! Einer zeigte Richtung M 82, der andere in die entgegengesetzte Richtung. Wow, und das mit 8″. Aber wie ich immer sage: Der Himmel macht’s. Die beiden Begleiter NGC 2976 und NGC 3077 stachen ebenfalls sofort ins Auge und bildeten gemeinsam mit den beiden Messiers ein schönes Quartett.

Die letzte Galaxie dieser Nacht sollte ebenfalls eine mit prägnanter Staubstruktur werden. Die Wahl fiel auf Messier 64, das Black Eye. Auch hier sprang mir die dunkle Stelle nahe des hellen Zentrums gleich im Übersichtsokular ins Auge. Bei 128x war das Staubgebiet noch einmal schöner.

Den Abschluss dieser wirklich außergewöhnlichen Beobachtungsnacht bildete Messier 13, der auffällig freiäugig sichtbar war. Bei 128x war das Gesichtsfeld gefüllt mit Sternen. Dass M 13 bereits ein Sommerobjekt war, täuschte nicht über die Tatsache hinweg, dass mich langsam aber sicher das Gefühl beschlich, bald am Boden festzufrieren. Also packte ich mein Zeug schnell ins Auto und genoss noch einmal den Frühlingshimmel, der hier so viele Sterne zeigte, wie anderswo nicht einmal der Sommerhimmel.

Über kurz oder lang werde ich der Hohen Wand wohl schweren Herzens den Rücken kehren müssen, und das Salamander Skigebiet am Fuße des Schneebergs meinen neuen Beobachtungsort nennen. Die 20-25 min. Anreise sind mir einen derartig bombastischen Himmel wirklich mehr als wert.

Danke fürs Lesen,
Christian
darthvader
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Beitrag von darthvader »

Hallo Christian,

gratuliere zur erfolgreichen Beobachtungsnacht in einem neuen Gebiet :!:

Ich konnte gestern den Himmel genau so genießen wie Du,allerdings "nur" auf dem Brentenriegel im Burgenland. Kurz gesagt ein Wahnsinn. Man sieht den Himmel vor lauter Sternen nicht :wink:

Beobachtungsbericht folgt.

Wo warst Du in Losenheim?? Talstation Sessellift oder höher (Parkplatz)???

LG

Andreas
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Alrukaba
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Beitrag von Alrukaba »

Hallo Christian!

Toller Bericht, wie immer. Gratuliere zum neuen Beobachtungsplatz. Eine längere Anfahrzeit muß man eben für einen besseren Himmel in Kauf nehmen. Ich war am Freitag wieder mal auf dem Hochbärneck und wir hatten einen 6,2er indirekt. Leider fahr ich fast eine Stunde von Amstetten da hin, aber ein mal im Monat muß das drin sein, auch wenn die Frau mault, Bericht folgt

Alex
http://www.astrostation.at

Der größte Irrtum der Menschheit ist der Glaube intelligent zu sein.
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Joe_Malik
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Beitrag von Joe_Malik »

Danke für eure netten Antworten!

Reinhard, wenn ich das nächste Mal hinfahre, werde ichs vorher hier im Forum ankündigen!

Andreas, ich war am Parkplatz. Dort hat mich aber a bissl die orange Natriumdampflampe auf der Straße gestört. Die strahlt zwar nicht wirklich hell, aber wenn man sie versehentlich ansieht, ist natürlich gleich die Dunkeladaption weg. Beim nächsten Mal werd ich versuchen, ein Stückerl auf die Skipiste raufzufahren - da geht ein Feldweg rauf.

Alex, ich freu mich jetzt schon drauf! :wink:

LG Christian
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prokyon
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Beitrag von prokyon »

Hallo Christian,

toller und ausführlicher Bericht! Freut mich, dass du so eine tolle Ecke ausfindig machen konntest. Ich hab auch so was gefunden, ein 7mag Himmel auf 1600m Seehöhe.

Also: Es gibt auch in Österreich super dunkle Ecken, da muss man nicht nach Namibia. Nur ist das Wetter dort etwas astronomiefreundlicher :wink:

cs

Werner
Ich liebe die Sterne zu sehr um die Nacht zu fürchten.

http://www.starrymetalnights.at
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