Kameravergleich

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Jedi2014
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Re: Kameravergleich

Beitrag von Jedi2014 »

Hallo Horst,

4x900 Sek. Sind nun nicht gerade repräsentativ, aber selbst da fällt mir jedenfalls auf, dass der Sony Chip sichtbar weniger rauscht und auch die schwchen rötlichen Nebelgebiete deutlicher hervortreten. Als ich vor einem Jahr von einer s/w Moravian 8300 auf eine Atik 460Exm umgestiegen bin, habe ich es keine Sekunde bereut.
Gruß
Jens

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tommy_nawratil
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Re: Kameravergleich

Beitrag von tommy_nawratil »

hallo,

ein interssanter Vergleich!

Wenn man die Bilder streckt sieht man das stärkere Rauschen des 8300er Chips,
aber ganz wie Horst schon feststellt, am Sony Chip sind keineswegs schwächere Sterne zu sehen.
Man würde ja erwarten, dass bei weniger Rauschen auch mehr gestreckt werden
und mehr Tiefe herausgekitzelt werden kann. Der Sony Chip hat ja auch bessere QE.
Dies ist offenbar nicht der Fall. Warum, das wäre interessant zu wissen.
Werde das mal besprechen.

lg Tommy
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tommy_nawratil
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Re: Kameravergleich

Beitrag von tommy_nawratil »

hallo,

habe Jürgen Stein um seine Meinung gefragt (er hat unter anderem auch den kürlich in Interstellarum erschienenen
Artikel über das Rauschverhaltern von Sensoren verfasst). Darf seine Antwort als Beitrag hier reinkopieren:

Hallo Tommy,
interessanter Vergleich, allerdings m.E. wenig aussagekräftig. Hier meine Einschätzung dazu:

Auf die Schnelle habe ich keine verlässlichen Aussagen über die QE des ICX 493-Sensors gefunden, außer ein paar Angaben hier: http://www.sxccd.com/trius-sx26c. Eine echte QE-Kurve fehlt, wie leider bei Sony-Chips üblich. Daher wäre ich nicht sicher, ob die QE wirklich höher ist als beim KAF-8300, zumindest etwas mehr Licht sollten die um ca. 20% Fläche größeren Pixel auffangen.

Leider sind bei den Vergleichsaufnahmen keine Angaben zu Teleskop / Lichtstärke, Chiptemperatur, Himmelsaufhellung etc. vorhanden.

Read Noise liegt bei beiden Kameras etwa auf dem gleichen Level. Der Dunkelstrom ist lt. Angabe oben mit 0,02 e-/s bei +10°C beim ICX deutlich niedriger als beim KAF, der diesen Wert erst bei -10°C erreicht. Allerdings: Nimmt man an, dass beide Kameras auf ca. -20°C oder tiefer gekühlt waren, liefert der Dunkelstrom hier maximal 12e- (beim KAF), beim ICX vielleicht nur 1-2e-. Das dadurch erzeugte Rauschen liegt deutlich unter dem RN, ist also in beiden Fällen irrelevant. Ich würde ohnehin vermuten, dass das Hintergrundrauschen vom Himmel deutlich mehr beiträgt als RN und Dunkelstromrauschen zusammen.

Hintergrundrauschen ist aber unabhängig vom Sensor, nur von der QE /Chipgröße abhängig – sofern die Kameraelektronik nicht nachglättet ;-) – muss also in beiden Fällen nahezu identisch sein.

Bleibt also als zusätzlicher Faktor eigentlich nur das Strukturrauschen (FPN "Fixed Pattern Noise") übrig. Bei nur vier Aufnahmen und ohne(?) Dithering, liefert das vermutlich einen wesentlichen Beitrag zum Gesamtrauschen und ist auch in den helleren Bildbereichen sichtbar. Auch wurde auf Flats verzichtet, was zusätzlich dafür spricht, dass man v.a. bei KAF FPN sieht. Der KAF hat nach meiner Messung einen relativ hohen Wert für DNSU (Strukturrauschen im Dunklen, also dass, was man im Extremem in Form von Hotpixeln sieht), deutlich höher als dies z.B. DSLRs haben. Aber: Da hier ja nur ein sehr geringer Dunkelstrom auftritt, ist auch das daran gekoppelte DNSU nicht sehr groß, dennoch kann sein Beitrag bei der Gesamtbelichtungszeit von 4x900s ohne Dithern evtl. deutlich größer werden als der des Dunkelstromrauschens.

Das PRNU (Abweichung der Gain-Faktoren zwischen den Pixeln) ist beim KAF im Bereich der DSLR-Sensoren, allerdings gibt es hier auch Schwankungen. Vielleicht ist der ICX hier besser.

Um sauber zu argumentieren müsste man m.E. die Werte für RN, Dunkelstrom, FPN (DNSU + PRNU) und die relative QE für beide Kameras mal genauer messen.

Interessant wäre auch mal der Vergleich mit einer rauscharmen DSLR (also nicht unbedingt mit einer Canon ;-)). Würde ähnliche Ergebnisse erwarten, da die Kühlung m.E. nicht so entscheidend ist. RN ist besser, FPN liegt in der gleichen Größenordnung, QE auch. Dann wäre man preislich nochmals 5-10mal günstiger als mit einer Farb-CCD-Kamera.

Viele Grüße
Jürgen
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tommy_nawratil
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Re: Kameravergleich

Beitrag von tommy_nawratil »

hallo Horst,

ja genau, und deswegen habe ich Jürgen als unabhängigen Experten gleich danach gefragt :mrgreen:
hier die weitere Kommunikation:

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Zur Frage der Kühlung: Ich halte Kühlung schon für wichtig, aber man muss immer die Verhältnisse der Rauschbeiträge im Auge behalten. Es bringt nichts, wenn man an der falschen Stelle optimiert.

Dazu ein (praxisnahes) Beispiel:

Ich nehme mal 3 Kameras an:

1. DSLR, CMOS-Sensor, relative QE 0,15 (wegen Farbmatrix, bezogen auf CCD-Kamera), Dunkelstrom bei 10°C Außentemperatur 0,1e-/s (Werte passen z.B. zur Nikon D5100).

2 CCD OSC z.B. mit ICX493-Sensor, QE 0,33, Dunkelstrom bei 10°C 0,02e-/s, bei -20°C gekühlt also 0,001e-/s.

3. CCD-Kamera z.B. mit KAF-8300, relative QE 1, Dunkelstrom bei -20°C 0,01e-/s.

Der Einfachheit wegen nehme ich an, dass alle Kameras die gleiche Pixelgröße (6μm Kantenlänge) haben.



Dazu zwei Standorte:

1. Typischer Vorstadthimmel, wie bei mir, am Rand des Rhein-Main-Gebiets. Himmelshelligkeit ca. 19.8mag/arcsec^2.

2. Ideal dunkler Himmel, 21,8mag/arcsec^2.


Und zwei Teleskope:

1. Newton, 250mm Öffnung, 900mm Brennweite, f/3,6

2. Refraktor 125mm Öffnung, 900mm Brennweite, f/7,2


Am Vorstadthimmel bekomme ich mit den drei Kameras im 1. Teleskop etwas 3e-/s; 6,5e-/s;20e-/s) (Annahme: CCD nimmt Luminanz auf) – die Werte korrespondieren mit meinen Messungen.

Das Verhältnis Himmelshintergrund / Dunkelstrom ist dann etwa 30 / 325 / 2000, bei Gaußschem Rauschen ist das Rauchverhältnis die Wurzel aus diesen Werten: 5,5 / 18 / 45. Schon im ersten Fall ist das Hintergrundrauschen deutlich dominant, das thermische Rauschen ist bestenfalls noch gerade so nachweisbar. Im zweiten Fall ist das Dunkelstromrauschen absolut vernachlässigbar. Wenn ich nochmal 12°C mehr abkühlen würde, würde das Himmelsrauschen ca. 36mal stärker sein wie das Dunkelstromrauschen, aber dieser Effekt durch die zusätzliche Kühlung wäre nicht mehr nachweisbar.

Anders werden die Verhältnisse, wenn man:

1. eine lichtschwächere Optik verwendet (sollte man nicht tun, da hier auch weniger Nutzsignal ankommt). Mit dem 2. Teleskop würden sich die registrierten Signalflüsse auf 1,5e-/s;3,2e-/s;10e-/s halbieren. Für die erste Kamera würde das Rauchverhältnis jetzt 3,9 betragen, das Dunkelstromrauschen würde also noch nicht besonders auffallen.

2. am dunklen Standort arbeitet. Dann reduziert sich das Hintergrundsignal um 2 mag / arcsec^2, als0 etwa um den Faktor 6 (= 2,54^2). Jetzt kämen nur noch 0,5e-/s; 1e-/s; 3e-/s im 1. Teleskop an. Der Dunkelstrom der ersten Kamera kommt jetzt langsam an den Signalfluss ran, man würde also das thermische Rauschen „sehen“. Mit den beiden anderen Kameras ist das Himmelssignal noch deutlich größer als der Dunkelstrom.

3. Schmalbandfiltern verwendet, was eigentlich nur mit der 3. Kamera Sinn macht. Dann kommt nur noch etwa 1% des Hintergrundsignals an (bei sehr schmalbandigen Filtern, sonst ist es mehr). Das Hintergrundsignal fällt damit im 1. Teleskop am Vorstadthimmel auf 0,2e-/s. Damit haben wir immer noch einen Abstand zum Dunkelstromsignal von 20, man sieht aber, dass hier die Kühlung unbedingt erforderlich ist.

Nimmt man alle 3 Effekte (lichtschwächere Optik + dunkler Standort + Schmalband) zusammen, wird der Himmelshintergrund um einen Faktor von ca. 2 * 6 * 100 = 1200 abgedunkelt. Jetzt fällt das Hintergrundsignal auf etwa 0,015e-/s ab und ist damit in der Größenordnung des Dunkelstroms. Hier würde es also durchaus Sinn machen, die Kamera um weitere 15-20°C abzukühlen.

Das sind natürlich nur grobe Überlegungen, die Praxis mag etwas anders aussehen. Trotzdem macht eine solche Abschätzung Sinn, um zu sehen, wo man durch Optimierungen was gewinnen kann und wo nicht.
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Tommy:

Im Umkehrschluss folgere ich daraus, dass bei schnellem Teleskop/hellem Himmel der Vorteil des (wahrscheinlich) empfindlicheren
und rauschärmeren IXC vom Himmelshintegrund zugedeckt wird, der bei beiden Sensoren dann das Limit bestimmt.

Während unter dunklem Himmel / Schmalband / langsamem Teleskop dann der IXC gegen den KAF punkten müsste.
Den könnte man aber weiter kühlen. Irgendwo bei -25° ist beim KAF der RN (read noise) dann grösser als der FPN (fixed pattern noise)
hab ich wo gelesen, und weitere Kühlung bringt nichts.

Hintergrund der Frage ist für mich, es gibt ja jetzt wirklich schon viele Leute welche mit den moderneren Sensoren knipsen,
aber ich sehe keine revolutionär besseren Bilder in der Praxis. Viele der derzeit besten Bilder werden immer noch mit den Opa-Sensoren
8300 und 11000 gemacht. Was ist der Grund dafür? Da hat Horsts Vergleich die Frage mal aktuell bebildert,
und das könnte eine Antwort dafür sein.

Jürgen:
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deine Schlussfolgerungen sind m.E. richtig.

Zu den Opa-Chips ;-): Ich denke, die Unterschiede zwischen den Sensoren sind nicht sehr groß. RN ist vielleicht mal um 10-20% besser oder der Dunkelstrom ist etwas geringer. Das mag am dunklen Himmel mit langsameren Teleskopen sichtbar sein, reicht aber nicht für revolutionäre Fortschritte. Dafür gibt es immer weniger Sensoren mit Bayer-Matrix und diese schluckt halt viel mehr Licht als es die anderen Verbesserungen wieder rausholen können. Am dunklen Himmel ist eines OSC einer CCD mit Farbfiltern (bei LRGB) oder sogar Schmalbandfiltern hoffnungslos unterlegen - auch wenn RN und Dunkelstrom vielleicht etwas besser sind. Und auch am dunklen Himmel ist ein lichtstarkes Teleskop immer besser als eines mit weniger Lichtstärke. Zudem geht die Entwicklung immer mehr zu kleineren Pixeln und von CCD weg in Richtung CMOS, was die geometrische QE und das SNR wieder verschlechtert, auch wenn die Chips vielleicht an anderer Stelle besser werden.

Viele Grüße

Jürgen
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hier noch seine Website:
http://www.ccdastrophoto.com/


lg Tommy
Physik ist die Poesie der Natur..
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markusblauensteiner
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Re: Kameravergleich

Beitrag von markusblauensteiner »

Hallo Horst,
Und für eine gute Bildqualität sorgen dann Aufnahmedauer, Nachführungsqualität, Filterauswahl, Kalibrierungsdaten und Bildbearbeitung. Und nicht zuletzt die zur Verfügung stehende Software für die Bildgewinnung. Das zeigen die vielen guten Bildbeispiele hier im Forum und auf vielen Webseiten von Astrofotografen, die nicht den Marketing-Aussagen der Industrie hinterher hecheln. Gerade Du Tommy zeigst immer wieder, wie man auch mit einfachstem Equipment unglaublich tiefe Aufnahmen erzielen kann.
Das ist ein guter Standpunkt (aus meiner Sicht scheitert es meist an Pkt 2, 4 und 5 - wobei 2 nicht zu unterschätzen ist, auch wenn es scheinbar gut läuft!!) und deshalb habe ich meine ST2000XM auch sehr gerne, wenngleich sie demnächst weichen muss (freu auf neu.. :D ). Nicht mal zur "theoretisch" extrem empfindlichen ST10XME war ein praktischer Unterschied erkennbar - bei entsprechender Gesamtbelichtungszeit. Doch, ein Unterschied war schon: die ST10XME bloomt höllisch und macht somit tolle Zusatzarbeit.

Unter idealem Himmel mag das alles ein bisschen anders sein, aber das haben wir (noch) nicht.

LG, Markus
Ursa Major observatory @ ROSA remote
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