21 Uhr beim Stadtfest in Linz und den wollten wir uns ansehen. Ein paar Freunde, mit denen wir die letzten vier Jahre das Stadtfest unsicher machten, hatten plötzlich keine Lust mehr und meine Frau kam erst um 19 Uhr nach Hause. Duschen, essen – dann ist es 8 und dann noch nach Linz fahren – na, zvü Stress. Also gingen wir zu den Amstettner Höflichkeiten, da gab es auch Live-Musik und man hörte die eine oder andere Fendrich Schnulze.
Am Samstag Abend rief mich Kurt an, gleiches Vorhaben, gleicher Standort aber da sprach ich schon im ¾ Takt. Kurz darauf zeigte sich der Mond im Südosten und ich dachte mir: ‘ den kaunst da daham a auschaun und in Jupita a little bit later.‘
Gedacht getan und kurz nach 20 Uhr stand mein kleiner auf der Terrasse. Etwa eine halbe Stunde später visierte ich den Mond an. In der Phase, drei Tage vor Vollmond, hatte ich ihn selten im Okular. Der goldene Henkel war schon vorbei und danach fand ich ihn immer eher uninteressant; - Irrtum, großer Irrtum. Der Terminator verlief entlang des 55. westlichen Längengrades. Über dem Krater Reiner ging gerade die Sonne auf und er bildete eine Dreierkette mit Kepler und Kopernikus.
Bei Prinz, Aristarchus, Herodotus und Marius stand unser Tagesgestirn schon ein paar Grad über dem Horizont. Gassendi thronte über dem Mare Humorum, welches von Mersenius und Hippalus flankiert wurde. Auch Schickard und Phocylides waren gerade im Begriff ins Licht zu schreiten.
Kurz nach ¾ 9, ich hatte gerade maximale Vergrößerung im Rohr, kreuzte ein Flugzeug unseren Trabanten, dessen Kondensstreifen bald im Mondlicht verblasste. Danach wechselte ich gleich wieder auf Vollansicht, da war er einfach schöner anzusehen.
Tycho und Clavius kamen mir vor wie zwei Gegner, welche sich im Moonlight Shadow zum Duell gegenüberstanden. Maginus fungierte als Adjudant von Calvius, Longomontanus als der von Tycho. Street stand wohl in selbstmörderischer Absicht zwischen den Kontrahenten; Brown und Porter reichten ihnen die Waffen. Rundherum standen Schiller, Walter, Wilhelm und unzählige andere als Schaulustige herum.
Wahnsinn, was man da alles in die Kraterlandschaft des Mondes hineininterpretiert. Aber für den ¾ Takt war auch immerhin ein roter Franzose verantwortlich und nicht Schärdinger Eiskaffee. Im Lichtüberfluteten Osten des Mondes fielen mir ein paar helle Krater auf, von denen teilweise Strahlen kilometerweit über den Mondboden zogen. Erwähnen möchte ich hier aber nur jene vier, die das Mare Tranquillitatis umrahmten.
Da wäre mal Proclus am Nordost-Eck, als Höhepunkt eines Rückens, dessen Nordwest-Kamm ins Sinus Amoris hinab läuft und der Süd-Kamm ins Mare Fecunditatis. Im Rücken hatte er das Mare Crisium und zum Meer der Ruhe bildeten die Sümpfe des Schlafes den Abhang. Man braucht eben nach jeder Krise Schlaf um wieder zur Ruhe zu kommen.
In der Südost-Ecke strahlte Censorinus, welcher am Cap zwischen Mare Tranquillitatis und der Sinus Asperitatis, den Seefahrern als Leuchtturm diente, welche von der rauhen Bucht in das Meer der Stille schippeten. An der Südwest-Ecke brannte Dionysius als Mahnfeuer und Menelaus, in Nordwesten stand eigentlich schon an den Gestaden des Mare Serenitatis. Plinius wirkte dagegen wie ein Fels in der Brandung zwischen dem Meer der Heiterkeit und dem der Ruhe.
Jupiter war nun auch schon über dem Horizont, um ihn mal in Augenschein zu nehmen, aber den hatte ich vor, erst nach einem Deja vu mehr Aufmerksamkeit zu schenken, ohne vorher in der Küche nachfragen zu müßen. Vorher informierte ich mich aber im Cartes du Ciel, wie es mit dem großen roten Fleck aussieht. Laut dem sollte dieser um Mitternacht im Meridian stehen, was ich auch gleich Gerald mitteilte.
Nach dem Deja vu ging ich wieder auf die Terrasse und visierte den Riesenplaneten an. Vom großen roten Fleck war aber nichts zu sehen; zu geringe Vergrößerung? Ich schnallte den großen auf die Lafette aber wieder nix. Da rief ich Gerald an und die sahen auch nix. Die hatten aber inzwischen offensichtlich mit Sepp telefoniert und der verriet ihnen, daß die Angaben bei älteren Versionen nicht immer stimmen. Bei Stellarium war es übrigens das gleiche. Cal Sky war das Zauberwort und tatsächlich hinkte die Realität den beiden Programmen um fast zwei Stunden hinterher. Nicht um Mitternacht, sondern um 2 Uhr, genau um 1 Uhr 55 ging der große Fleck demnach durch den Meridian, also noch etwa 1 ½ Stunden Zeit. Aber schon um 1 Uhr sollte sich der Fleck weit genug vom Horizont Gelöst haben, um ihn zu Gesicht zu bekommen. Gerald versprach mir, mich sofort anzurufen, wenn er etwas Verdächtiges sehen würde.
In der Zwischenzeit holte ich mir noch ein Bier, rauchte mir eine Moods an und starrte unbewaffnet in den Mondlichtüberfluteten Nachthimmel. Die Grenzgröße festzustellen machte wenig Sinn, da durch den Mond ohnehin nur die hellsten Sterne zu sehen waren. Trotz der lauen Nacht war das Seeing supa, es erlaubte volles Maximum also her mit dem 5 mm Okular und schon gab ich mir Jupiter mit 200 facher Vergrößerung. Da gab es kein flackern und die vier galileischen Monde standen wie weiße Stecknadelköpfe um den Gasriesen, Ganymed und Europa westlich, Kallisto und Io, schräg untereinander, östlich von ihm.
Um 0 Uhr 53 läutete mein Handy: „Wia sehn eam!“ – und somit heftete ich mich auch wieder hinters Okular. Für den ersten Moment sah ich nichts, aber wahrscheinlich deswegen, weil ich zu lange auf den Mond gestarrt hatte.
Je länger ich schaute, desto mehr Details kamen heraus. Schon bald konnte ich ihn als blassen orangen Fleck sehen. Der war gegenüber seiner Umgebung natürlich dunkler. Wenn er wieder vom Wolkenband umgeben ist, erscheint er dagegen heller, wie Gerald bemerkte. Wir beide schilderten uns gegenseitig, was wir alles sahen. Ein weißer Knoten am oberen breitenBand war mir vorher schon aufgefallen. Die Polbereiche waren in leichtes grau getaucht. Zwischen dem Nordpol und dem breiten Band war ein schmales dunkles Band, welches in der Mitte einen dunklen Knoten hatte. Kurt rief was von einer hellen Stelle in der Mitte des breiten Wolkenbandes, welche gut zu erkennen war. In Höhe des roten Flecks zog von Westen ein schmales blass graues Wolkenband herein, aus dem sich in den nächsten Wochen sicher wieder das südliche breite Wolkenband bilden wird. Zwischen der Südpolregion und dem roten Fleck war außerdem noch ein schmales Band zu erkennen, welches in Höhe des roten Flecks etwas breiter war. Nachdem ich das ganze skizziert hatte, packte ich zusammen und ging schlafen.
Am Sonntag nach dem Mittagessen stellte ich nochmals den großen auf die Terrasse um unser Tagesgestirn zu betrachten, die war aber wieder mal blütenweiß.

So hab ich Jupiter gesehen, ich hoffe er gefällt euch